Der 21. Dezember 1881 war eigentlich ein Tag wie jeder andere, doch stellte sich erst später heraus, dass an diesem Tag ein Mann geboren wurde, der für den Sport in der Isarstadt durch sein Beispiel nicht nur einen Meilenstein setzen sollte. Karl Schweizer, der in Liebe und Hochachtung „Plattlings Turnvater“ genannt wurde und noch heute genannt wird, wenn jemand fragt, nach wem die Karl-Schweizer-Straße ihren Namen hat, war er es, der den Namen des ehemaligen Turnvereins, dem er lange Jahre als Vorstand angehörte, und der Stadt Plattling weit bekannt gemacht hat. Sogar um die Olympischen Spiele 1936 in Berlin hat sich der Lokomotivführer aus der Eisenbahnerstadt, in der er nicht einmal geboren war, verdient gemacht. Dass er für seine Verdienste anlässlich seines 75. Geburtstages auch den Ehrenbrief der Stadt Plattling erhalten hat, ist nur die logische Schlussfolgerung, nachdem er von den Sportgremien schon viele Ehren erhalten hatte. Auf dem Kalteck steht auch ein Gedenkstein, an dem die Plattlinger Turn- und Sportvereinsmitglieder regelmäßig ihres „Turnvaters“ gedenken.
Karl Schweizer war kein Vereinsvorstand im üblichen Sinn, denn er hat noch bis in ein für einen Sportler hohes Alter allen gezeigt, wie man es macht. Er war ein vielseitiger Sportler, dessen Betätigungsgebiete von der Kraftathletik in jungen Jahren über das Geräteturnen bis zum Fuß- und Handball reichten. Er war eigentlich das, was man heute von einem Funktionär des Sports erwartet, vielseitige eigene Betätigung und Anregung für viele neue Dinge. Karl Schweizer konnte es allen vormachen und wenn er zu Fuß mit seinen Freunden und sportlichen Rivalen zu Turnfesten wanderte, dachte er nicht gleich an Fahrtkostenzuschuss oder Startgeldbereitstellung.
Karl Schweizer wurde am 21. Dezember 1881 in Ingolstadt geboren. Im Jahre 1905 kam er als Eisenbahner beruflich nach Plattling. Aus einer glücklichen Ehe entstammten sein Sohn Karl, der ebenfalls ein sehr guter Sportler war (1940 im Krieg gefallen) und seine Tochter Lina, die noch lange Jahre nach seinem Tod im TSV Plattling einsatzfreudig und unermüdlich das turnerische Erbe ihres Vaters erfüllte.
Neben dem Zwölfkampf im Geräteturnen, wobei er zahlreiche Siege sowie hohe Anerkennung erntete, galt seine Liebe auch der Leichtathletik. Er war der Erste, der 1911 bei einer Turnveranstaltung in Vilsbiburg den Schleuderballwurf mit Drehung ausführte gegenüber dem damals üblichen geraden Wurf. Mit der Kugel und dem Stein wusste Schweizer gut umzugehen und er zählte lange Jahre zu den besten Leichtathleten Niederbayerns. Mit 43 Jahren kam er im Stabhochsprung der 3-Meter-Grenze sehr nahe, aber auch im Faustball, Ringen und Stemmen war er maßgeblich an der Erringung von schönen Preisen und Meisterschaften beteiligt. Schon 1913 hatte er sich mit Fußball und Handball aktiv beschäftigt, er wurde auch 1920 zum Neugründer beider Abteilungen im TV Plattling 1891. Außerdem war er der Urheber der Schwimmabteilung im Verein. Karl Schweizer war viele Jahre Vorsitzender, Oberturnwart und Ehrenvorsitzender des Turnvereins in Plattling.
Es würde zu weit führen all die vielen Siege und ehrenden Preise anzuführen, die Schweizer in seiner jahrzehntelangen Sportlerlaufbahn erringen konnte. Es sei hier nur erwähnt, dass er neben den zahlreichen Gau-, Bezirks- und bayerischen Turnfesten noch auf einigen deutschen Turnfesten vertreten war und unter anderem aus Frankfurt (1908), Leipzig (1913), München (1923), Köln (1928), Stuttgart (1933), Breslau (1938) jeweils mit dem 11. bis 28. Preis im Gerätezwölfkampf oder im Dreikampf zurückkam. Im Krieg (1914/18) war er als Lokführer in Serbien. Dort konnte er im Jahre 1917/18 die Balkanmeisterschaft im Fünfkampf erringen. 1936 bekam Karl Schweizer eine Erinnerungsmedaille für gute Mitarbeit bei den Olympischen Spielen in Berlin. Der schlichte Eichenkranz war seine größte Freude.
Karl Schweizer erhielt viele Ehrungen des Bayerischen Turnverbandes für treue Mitarbeit und große Verdienste in der Turnerei. 1954 erhielt er die höchste Auszeichnung des Bayerischen Turnverbandes, den Goldenen Ehrenbrief. Aber auch die höchste Auszeichnung, die der Deutsche Turnerbund zu vergeben hat, wurde ihm zuteil. 1956 bekam Karl Schweizer in Kalteck die goldene Ehrennadel mit Urkunde des Deutschen Turnerbundes. Der Turngau Donau-Wald hat ihm zu Ehren einen Gedenkstein in Kalteck errichtet. Beim alljährlichen Bergturnfest wurde in früheren Jahren immer ein Karl-Schweizer-Gedächtnispreis vergeben.
Doch auch die Stadt Plattling ehrte den Turnvater mit dem Ehrenbrief, der folgenden Wortlaut hat: „ Der Stadtrat Plattling hat in seiner Sitzung vom 11. Dezember 1956 beschlossen, dem Ehrenvorsitzenden des Turnvereins Plattling, Herrn Karl Schweizer, zu seinem 75. Geburtstag diesen Ehrenbrief zu überreichen, zum Zeichen der Anerkennung und des Dankes für die langjährige ehrenamtliche Betreuung der Turnerjugend unserer Stadt. Der Jubilar darf auf die vergangenen fünf Jahrzehnte mit der Gewissheit zurückblicken, dass seine Tätigkeit auf ein hohes sittliches Ziel ausgerichtet war, dem zu dienen er auch heute noch mit Erfolg bestrebt ist. Der Name „Turnvater Schweizer“ ist in hiesiger Stadt ein Begriff geworden, auf den sein Träger mit Recht stolz sein kann.“
Karl Schweizer ist am 9. April 1958 viel zu früh verstorben.
Die Karl-Schweizer-Straße trägt ihm zu Ehren seinen Namen. Dadurch lebt der Name weiter im TSV Plattling, in der Stadt und hoffentlich noch recht lange in den Herzen der Plattlinger Sportler. Anlässlich seines 100. Geburtstages wurde durch seine Tochter Lina Schweizer erstmalig innerhalb des TSV Plattling im Rahmen der Weihnachtsfeier des TSV am 12. Dezember 1981 der Karl-Schweizer-Gedächtnispreis, ein Preis für erfolgreiche Sportler/-innen des TSV, vergeben*. Preisträger war Gerald Kammerl von der Abteilung Leichtathletik. Der Karl-Schweizer-Gedächtnispreis in der Form wie er heute noch durch den TSV Plattling an seine erfolgreichsten Sportlerinnen und Sportler verliehen wird, ist erstmalig im Dezember 1984 im Rahmen der Ehrung des Sports des Stadtsportverbandes Plattling, damals noch im Sitzungssaal des Plattlinger Rathauses als Nachfolgepreis des Georg-Eckl-Gedächtnispreises, gestiftet durch Lina Schweizer an den Leichtathleten Karl Hamberger verliehen worden.
* Im Jahre 1981 wurden sowohl Georg-Eckl-Gedächtnispreis als auch Karl-Schweizer-Gedächtnispreis verliehen.
Quelle: PNP vom 21. Dezember 1981